Die Anzahl der homöopathischen Mittel hat in den letzten Jahren durch neue Arzneimittelprüfungen und Forschung kontinuierlich zugenommen. Heute sind wir bei über 8'000 Einzelmitteln angelangt. Um eine sanfte und tiefgreifende Wirkung zu erzielen, muss das Mittel der Persönlichkeit des Patienten in all ihren Aspekten (Körper, Geist und Seele sowie Emotionen) so ähnlich wie möglich sein. Nur so kann eine dauerhafte Heilung erzielt werden.
Wie ist das bei der grossen Anzahl der Mittel möglich? Anhand des Studiums von geheilten Fällen wurde in den letzten Jahrzehnten von Homöopathen in allen Teilen der Welt untersucht, ob Mittel einer bestimmten biologischen Gruppe Gemeinsamkeiten zeigen. Diese Frage kann heute klar mit Ja beantwortet werden. Und die Übereinstimmungen betreffen nicht nur die körperlichen Symptome. Auch die Reaktion der Patientinnen und Patienten auf ihre Symptome und der Umgang mit ihrer Krankheit und mit alltäglichen Situationen weisen Parallelen auf.
Es würde diesen Artikel sprengen, über alle aus dem Meeresbereich stammenden Mittel zu sprechen: Wasser, Fische und die wirbellosen Tiere. Ich konzentriere mich hier auf die letzte Gruppe, zu der Mittel aus Schwämmen, Korallen, Quallen, Muscheln und Tintenfische gehören.
Das Wasser, Lebensraum dieser Mittel, gilt in den meisten Kulturen als Symbol für die Gefühlswelt. Wenig überraschend zeigt sich, dass Menschen, die diese Mittel benötigen emotional einerseits sehr offen, gleichzeitig aber auch sehr verletzlich sein können. Der fehlende Schutz wird oft gespürt und manchmal direkt angesprochen. Sie reagieren empfindlich auf äussere Einflüsse wie Lärm, Berührung, Licht, Wetterumschwünge, aber auch auf das Verhalten anderer Menschen und sind auf Kontinuität angewiesen. So kann z.B. bei Kindern der Eintritt in den Kindergarten oder die Schule schwierig sein. Sie klammern sich an die Mutter, fühlen sich verlassen, sobald sie diese nicht mehr sehen. Ihre Reaktionen erscheinen uns oft übertrieben. Nicht wenige von ihnen verschliessen sich in der neuen Umgebung erst einmal und lassen niemanden an sich heran. Sie können auch wütend und gereizt werden, sobald jemand zu nahekommt. Dies geschieht ohne Nachzudenken, eine automatische Reaktion die ihrer Empfindsamkeit entspringt. Bei Erwachsenen ist dieser Konflikt zwischen dem Bedürfnis nach Schutz und Unterstützung und dem Verlangen nach Freiheit und Unabhängigkeit oft ein schwieriger Spagat. So können sie sich in Beziehungen schnell bedrängt und unwohl fühlen, obwohl sie sich gleichzeitig sehr danach sehnen. Quälenden Gedanken, Ängste und Panikattacken treten in jeder Altersgruppe auf.
Körperlich sind je nach Mittel sehr unterschiedlich Symptome zu finden, von Husten, Hautausschlägen über Menstruationsprobleme bis zu krampfartigen Schmerzen an den unterschiedlichsten Stellen. Hier muss auf die verschiedenen Untergruppen und Einzelmittel eingegangen werden.
So finden wir bei den Personen, die Mittel aus der Gruppe der Muscheln brauchen, gehäuft nesselartige Hautausschläge und Allergien sowie eine Unverträglichkeit von Milch und Milchprodukten.
Das bekannteste Mittel der Kopffüssler ist mit Sicherheit Sepia, der Tintenfisch, ein grosses «Frauenmittel» mit vielen Beschwerden rund um die Menstruation: Krämpfe, Schmerzen, die sich nach unten erstrecken, und das Gefühl, als ob die Organe nach unten aus dem Becken fallen, Kopfschmerzen oder Migräne, Putz-Wut, Reizbarkeit oder Gleichgültigkeit gegenüber den am meisten geliebten Menschen. All dies verschlimmert sich vor der Blutung. Frauen die dieses Mittel brauchen, wissen, was sie wollen, und verfolgen ihre Ziele auch. Schwierig wird es, wenn sie das Gefühl haben, zu viele Dinge tun zu müssen, die ihnen nicht entsprechen. Und sei es nur, weil sie sich zwischen Haushalt, Kinder und Beruf aufreiben und erschöpfen. Gute Heilungsprozesse habe ich immer dann beobachtet, wenn die Frau gleichzeitig mit den verringerten körperlichen Beschwerden wieder in der Lage war, sich Raum für ihre eigenen Bedürfnisse zuzugestehen.
Tiefgehende Heilung beinhaltet weit mehr als das Verschwinden von Symptomen. Während die aktuellen Corona-Massnahmen jenen Menschen, welche Mittel aus dem Bereich der wirbellosen Tiere brauchen, insofern entgegenkommen, weil die Distanzen besser gewahrt werden, können sie andererseits auch viele Ängste wecken und das Gefühl der Isolation weiter verstärken. Das grösste Geschenk für mich als Homöopathin ist, wenn ich sehe, dass der Menschen, der mir gegenübersitzt, wieder aufblüht und sein Potenzial leben kann, voller Energie, mit gestärktem Selbstvertrauen und in gestärkter körperlicher Verfassung. Wenn sie oder er freudig mit dem Fluss des Lebens schwimmt ohne Angst, in die Tiefe gezogen zu werden.
«Du bist kein Tropfen im Meer, du bist ein gesamter Ozean in einem Tropfen»
Rumi
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